Frage: Die Gemeinde Essen/Oldenburg hat die Straßenausbaubeitragssatzung aufgehoben. Zum Ausgleich wurde die Grundsteuer erhöht. Das klingt doch nach einem unbürokratischen Verfahren?
Kolde: Die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung in Essen/Oldenburg war nach meiner Ansicht ein unüberlegter Schnellschuss. Er kam für viele sehr überraschend und war anlassbezogen. Im letzten Jahr wurde die Durchgangsstraße Wilhelmstraße umfangreich saniert. Der Eigenanteil der Anlieger in Höhe von über 200 000 Euro musste über andere Finanzwege kompensiert werden, da die Satzung im März 2017 rückwirkend zum 1. Januar 2017 abgeschafft wurde. Bislang mussten Anlieger bei dem Ausbau und der Erneuerung von Straßen und Gehwegen bis zu 80 Prozent der Kosten tragen. In der Verwaltungsvorlage zur Abschaffung der Satzung wurden die fehlenden Anliegerbeiträge mit zehn Punkten Grundsteuererhöhung bemessen. Zur Gegenfinanzierung sollten eigentlich wichtige Fragen beantwortet werden, wie sollten wir die Steuern erhöhen, die Grundsteuern? Welche Grundsteuern? Nur B für Hausbesitzer oder auch A für Landwirte? Wer soll die neuen Bemessungsgrößen festlegen? Warum staffeln wir den Eigenbetrag nicht? Viele Fragen, die wir eigentlich im Vorfeld hätten klären sollen, bevor wir solch ein wichtiges Finanzierungsmodell einfach kippen.
Frage: Ist Ihre Gemeinde Vorreiter bei der Abschaffung der Ausbaubeitragssatzung?
Kolde: Essen/Oldenburg ist bislang die einzige Kommune im Oldenburger Münsterland, die auf eine entsprechende Straßenausbaubeitragssatzung seit 2017 verzichtet. Es sollten viele Kommunen folgen, so die Argumentationen der Mehrheitsfraktion. Bislang blieben jedoch Nachahmer aus. Auf kommunaler Ebene haben mich einige Bürgermeister und Verwaltungsvertreter anderer Gemeinden bestärkt und die Abschaffung als gravierenden Fehler bezeichnet.
Frage: Sie beklagen, dass die Vermieter die höhere Grundsteuer auf die Mieten aufschlagen. Wie wollen sie denn vermeiden, dass die Vermieter Ausbaubeiträge aufschlagen?
Kolde: Das Aufschlagen der kommunalen Straßenausbaubeiträge auf die Miete war bislang höchstrichterlich nicht zulässig. Lediglich die Grundsteuer konnte anteilsmäßig mit der Miete in einem angemessen Verhältnis verrechnet werden. Bedingt durch die letzte Novellierung des Kommunalabgabengesetzes können Kommunen die jeweiligen Grundstückseigentümer mit einer Pauschale für den Straßenausbau belangen, unabhängig eines bebauten bzw. unbebauten Grundstücks. Davon hätte man Gebrauch machen können.
Frage: Das Bundesverfassungsgericht hat ja eine Reform der Grundsteuer dringend angemahnt. Reichen die Bodenrichtwerte als Grundlage? Dann würden unbebaute Grundstücke genauso wie bebaute bewertet.
Kolde: Zunächst möchte ich beklagen, dass zum wiederholten Male höchstrichterlich festgestellt wurde, dass die Bundespolitik ihre Hausaufgaben nicht macht. Die Grundsteuer war schon immer rechtswidrig und muss dringend reformiert werden. Ich danke dem Bundesverfassungsgericht für diese notwendige Entscheidung, hätte mir jedoch auch etwas mehr Mut gewünscht, zum Beispiel Rechtsnormen für notwendige Entschädigungszahlungen für alle bislang ungerecht erhobenen Steuerbescheide.
Frage: Soll es generell bei der Grundsteuer bleiben?
Kolde: Für mich steht fest, dass die Grundsteuer beibehalten werden muss, weil sie für unsere Kommunen ein notwendiges und sehr wichtiges Finanzierungsinstrument ist. Nur mit der Grundsteuer können wir wichtige Entscheidungen in der kommunalen Daseinsvorsorge realisieren.
Frage: Was schlagen Sie vor? Wie sollte die Grundsteuer bemessen werden?
Kolde: Ich persönlich bin der Ansicht, wir sollten nicht unbedingt die reinen Gebäudewerte bemessen, sondern die Bodenwerte mit einer Steuer belegen. Als Bemessungsgrundlage sollten die Grundstücksflächen mit den jeweiligen Bodenrichtwerten herangezogen werden. Alle Flächen müssen besteuert werden, auch die unbebauten. Ich bin davon überzeugt, dass diese Regulierung den Wohnungsmarkt fördern würde, weil wir dadurch indirekt vorhandene Flächen als zukünftigen Wohnraum fördern. Wir würden Spekulationen mit Grundstücken und sonstigen Flächen grundsätzlich verhindern. Weiter müssen wir aber auch die Umverteilung auf die Mieten durch klare gesetzliche Regelungen unterbinden. Folgender Grundsatz soll gelten. Die Steuer sollte ausschließlich der Grundeigentümer zahlen!
Zum Nachlesen: Das Interview in der NWZ online vom 24.04.2018